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bcs-Fachtagung 2016

Neue CarSharing-Studien: Ergebnisse und Herausforderungen für die Zukunft

bcs-Fachtagung 2016

In 2015 und 2016 sind mit WiMobil, EVA-CS und der neuen bcs-Studie gleich drei große CarSahring-Studien erschienen. Zudem liegt mit multimo eine neue vergleichende Studie zu Zielgruppen und Kundenzufriedenheit im CarSharing vor. Auf der Arbeitstagung 2016 des Bundesverbands CarSharing e.V. stellen die Autoren wichtige Ergebisse und Herausforderungen für die Zukunft vor.

bcs-Studie: CarSharing schafft mehr Platz zum Leben in Innenstädten

Willi Loose, Geschäftsführer des Bundesverbands CarSharing e.V. stellte in seinem einleitenden Vortrag die Ergebnisse der bcs-Studie zur Wirkung von stationsbasierten CarSharing-Systemen im innerstädtischen Raum vor. Die Studie wurde im Herbst 2015 zusammen mit dem Markt- und Sozialforschungsinstitut infas durchgeführt. Befragt wurden insgesamt 3.500 Kunden stationsbasierter Anbieter in 12 deutschen Städten. Ziel der Studie war eine Best-Case-Analyse: Was kann CarSharing bewirken, wenn das Angebot bereits etabliert und gut ausgebaut ist? Die Studie konzentriert sich daher bewusst auf einzelne innenstadtnahe Wohnquartiere mit einer guten CarSharing-Versorgung.

Die befragten CarSharing Kunden haben in dem Zeitraum 12 Monate vor der CarSharing Teilnahme bis heute insgesamt 61,9 Prozent ihrer ursprünglich vorhandenen privaten Pkw abgeschafft. Die Zahl der autofreien Haushalte stieg im selben Zeitraum von 45,4 Prozent auf 78,2 Prozent. Bemerkenswert ist dabei, dass der Großteil der Auto-Abschaffungen bereits vor der Anmeldung zum CarSharing erfolgte. Bisherige Studien hatten sich lediglich auf die Autoabschaffung nach dem Beitritt der Nutzer zum CarSharing konzentriert. Offensichtlich verlaufen die Entscheidungsprozesse, die schließlich zur Mitgliedschaft in einem stationsbasierten CarSharing-Angebot und zur Abschaffung des eigenen Pkw führen, jedoch vielfach anders als bisher angenommen. Das wurde in der Fachliteratur schön öfter vermutet, es wird nun in der bcs-Studie zum ersten Mal auch mit Zahlen belegt.

In den vom bcs untersuchten Stadtgebieten ersetzt ein stationsbasiertes CarSharing-Fahrzeug zwischen 8 und 20 private Pkw. Jedes CarSharing-Fahrzeug macht so zwischen 36 und 99 Metern Straßenkante frei. Loose betonte, dass dieser Platz von den Kommunen aktiv zur Umgestaltung des Straßenraums genutzt werden sollte, beispielsweise für Radwege, breitere Bürgersteige und mehr Grün.

PDF-Download: W. Loose, Wie CarSharing Städte entlastet, bcs-Jahrestagung 24.06.2016

Mehr Informationen zur bcs-Studie „Mehr Platz zum Leben – wie CarSharing Städte entlastet“, finden Sie hier.

WiMobil: Free-floating Kunden müssen sich mehr für stationsbasierte Systeme interessieren

Claudia Nobis vom Institut für Verkehrsforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) stellt in ihrer Präsentation die Ergebnisse der Studie WiMobil vor. Hier wurden die Anbieter DriveNow und Flinkster in den Städten München und Berlin untersucht. Anhand der soziodemografischen Daten zeigt sich, dass beide Angebote sehr ähnliche Kunden anziehen - in erster Linie akademisch gebildete, männliche Kunden mit hohem Durchschnittseinkommen. Lediglich in Bezug auf das Alter gibt es Unterschiede: DriveNow-Kunden sind im Durchschnitt deutlich jünger. Im Hinblick auf den Autobesitz jedoch unterscheiden sich beide Gruppen stark. 72 Prozent der Flinkster-Kunden, aber nur 43 Prozent der DriveNow-Kunden leben in autofreien Haushalten. 15,3 Prozent der Flinkster-Kunden, aber nur 6,5 Prozent der DriveNow-Kunden geben an, wegen CarSharing ein Fahrzeug abgeschafft zu haben. Entsprechend nutzen DriveNow-Kunden auch deutlich häufiger ihr eigenes Auto. In Bezug auf die Umweltwirkung schneiden die Kunden der stationsbabsierten Systeme also besser ab. In Bezug auf die absolute Zahl abgeschaffter Pkw kann DriveNow jedoch die schlechtere Entlastungsleistung wahrscheinlich durch höhere Kundenzahlen kompensieren.

Claudia Nobis weist noch auf ein anderes Ergebnis der WiMobil-Studie hin: Während bereits 45 Prozent der Flinkster-Kunden ebenfalls bei DriveNow angemeldet sind, ist die Doppelmitgliedschaft in die Gegenrichtung kaum entwickelt: Nur 15 Prozent der DriveNow-Kunden sind auch bei Flinkster angemeldet. Aus diesem Fakt und den im Rahmen der WiMobil-Studie durchgeführten Kunden-Interviews leitet Nobis ab: „Die Nutzer stationsgebundenen CarSharing brauchen kein flexibles CarSharing, haben aber Interesse an Aspekten des flexiblen CarSharing. Die Nutzer des flexiblen CarSharing möchten stationsgebundenes CarSharing nutzen, wissen es aber noch gar nicht." Um die entlastende Wirkung von CarSharing insgesamt zu steigern, wird es ihrer Ansicht nach in Zukunft vor allem darauf ankommen, mehr Nutzer von free-floating Angeboten auch von den stationsbasierten Systemen zu überzeugen. Allerdings sind hier noch zahlreiche Vorbehalte der Kunden zu überwinden.

PDF-Download: C. Nobis, Ergebnisse WiMobil, bcs-Jahrestagung 24.06.2016

EVA-CS: Free-floating CarSharing spricht auch überzeugte Autofahrer an

Hannes Schreier von der Beratungsgesellschaft team red stellt in seinem Vortrag die Studie EVA-CS vor. Diese untersucht im Auftrag der Landeshauptstadt München die CarSharing-Angebote von DriveNow, car2go, Flinkster und CiteeCar in München. Schreier bestätigt in Bezug auf die Soziodemographie die Ergebnisse der WiMobil-Studie. Er zeigt auf, dass die Einstellungen der Nutzer zu Mobilität und Pkw in den unterschiedlichen CarSharing-Systemen aber zum Teil sehr verschieden sind. Beide Angebotstypen sprechen gleichermaßen ÖPNV-Nutzer an, die für neue Mobilitätsoptionen offen sind. Free-floating Angebote erreichen darüber hinaus auch eine große Zahl überzeugter Pkw-Besitzer, die sich eine zusätzliche Mobilitätsoption eröffnen wollen. Aus dieser Tatsache resultiert laut Schreier der im Durchschnitt deutliche höhere Autobesitz bei Kunden von free-floating Systemen und die geringere Neigung, ein vorhandenes Auto abzuschaffen. Schreier betont, dass die free-floating Systeme in München ihren geringeren Wirkungsgrad durch höhere Kundenzahlen kompensieren können. In Hinsicht auf die Entlastungsleistung, also die Zahl der abgeschafften privaten Pkw pro CarSharing-Fahrzeug, übertreffen sie dort die untersuchten stationsbasierten Systeme.

PDF-Download: H. Schreier, Ergebnisse EVA-CS, bcs-Jahrestagung 24.06.2016

multimo: Alle CarSharing-Angebote richten sich an eine einzige kleine Zielgruppe

Robert Follmer von infas kann die soziodemografische Homogenität der bisherigen CarSharing-Kunden bestätigen: Unabhängig vom gewählten CarSharing-System sind 66 Prozent der in seinem Projekt multimo befragten CarSharing-Kunden aller Angebotstypen dem Sinus-Milieu „liberal-intellektuell“ zuzurechnen. In der Gesamtbevölkerung macht dies Milieu jedoch nur 10 Prozent aller Haushalte aus. Follmer warnt die anwesenden CarSharing-Anbieter: „Ob Free-floating oder stationsbasiertes CarSharing – Sie fischen alle im selben, eher kleinen Teich“. Um die entlastende Wirkung von CarSharing schneller in der Breite sichtbar zu machen, sei es unerlässlich, auch andere Milieus anzusprechen.

Dass die beiden CarSharing-Varianten stationsbasiert und free-floating innerhalb der homogenen Gesamtzielgruppe momentan unterschiedliche Teilgruppen mit unterschiedlicher Einstellung zum Pkw ansprechen, bestätigt die multimo-Studie ebenfalls: 63 Prozent der free-floating Kunden sagen, dass sie Spaß am Autofahren haben. Bei den Kunden stationsbasierter Systeme sind es hingegen nur 45 Prozent. Die stärkere Auto-Affinität der free-floating Kunden schlägt sich auch in der Nutzung des ÖPNV nieder: Bei ihnen geht die Zahl der Bus-und Bahnfahrten nach der Anmeldung zum CarSharing insgesamt zurück. Kunden stationsbasierter Systeme fahren nach der Anmeldung hingegen in Summe mehr mit Bus und Bahn. Follmer betont wie Nobis und Schreier: Obwohl die Ergebnisse den stationsbabsierten Systemen eine positivere Wirkung auf den Umweltverbund attestiert, seien in Summe beide CarSharing-Varianten gut für den ÖPNV. Die Zahl der Zeit- und Abokarten ist nämlich bei Kunden beider Varianten überproportional hoch und geht auch durch die CasrSharing-Teilnahme nicht zurück.

Die multimo-Studie zeigt für alle CarSharing-Varianten erfreuliche Kundenzufriedenheitswerte. Besonders gut schneiden die stationsbasierten Anbieter ab. Jeweils mehr als die Hälfte der Kunden gibt hier an, dass ihre anfänglichen Erwartungen vom realen Angebot übertroffen wurden. Free-floating Anbieter schneiden etwas schlechter ab, aber auch hier finden noch zwischen 26 und 36 Prozent der Kunden, dass ihre Erwartungen übertroffen wurden. Follmer dazu: "Viele andere Branchen würden solche Zufriedenheitswerte feiern." Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass in allen CarSharing-Systemen die anfängliche Skepsis, ob CarSharing die individuellen Mobilitätsbedürfnisse abdecken kann, sehr hoch ist. Nach erster praktischer Bekanntschaft mit dem Angebot wird diese Frage dann aber von sehr vielen Kunden positiv beantwortet. Die tendenziell höhere Unzufriedenheit in den free-floating Systemen führt Vollmer darauf zurück, dass hier das anfängliche Versprechen, immer spontan ein Auto in der Nähe zu finden, häufiger nicht erfüllt wird.

PDF-Download: R. Follmer, Ergebnisse multimo, bcs-Jahrestagung 24.06.2016

Fazit

Stationsbasiertes CarSharing hat eine höhere umweltentlastende Wirkung als free-floating Systeme. Kunden stationsbasierter Systeme schaffen häufiger ihren eigenen Pkw ab und ändern ihr Mobilitätsverhalten stärker. Sie fahren mehr mit dem Fahrrad und dem ÖPNV und nutzen für deutlich weniger Wege einen Pkw. Free-floating Systeme ändern das Mobilitätsverhalten den Nutzer nicht so stark: Die Autoabschaffungsrate der Haushalte ist niedriger und die Zahl der mit dem Pkw zurückgelegten Wege höher. Auf die ÖPNV-Nutzung wirkt sich free-floating CarSharing sogar leicht negativ aus. Allerdings können free-floating Systeme in Bezug auf die Reduzierung des Pkw-Bestands ihre niedrigere Wirkung durch eine höhere Kundenzahl kompensieren.

In der Münchener EVA-CS Studie reduzieren die free-floating Systeme den privaten Pkw-Bestand stärker als die untersuchten stationsbasierten Systeme. Wie die bcs-Studie aufzeigt, fällt bei stationsbasierten Systemen ein großer Teil der Autoabschaffung in die Zeit vor der CarSharing-Anmeldung. Dieser Effekt wird von EVA-CS noch nicht untersucht. Es könnte daher sein, dass die Entlastungswirkung der stationsbasierten Systeme höher ist, als dort mit dem angenommenen Untersuchungsdesign festgestellt.

Die beiden CarSharing-Varianten ziehen gleichermaßen eine überdurchschnittlich gebildete Zielgruppe mit hohem Einkommen an. Es zeigt sich jedoch in den Studien, dass die Kunden des Free-floating Auto-affiner sind als Kunden der stationsbasierten Systeme. Free-floating Kunden nutzen das CarSharing-Angebot häufig als eine weitere Mobilitätsoption neben dem eigenen Auto. Das dürfte ein Hauptgrund für die niedrigere entlastende Wirkung dieser Systeme sein.

Auf der Tagung des bcs wurden auch einige in die Zukunft weisende Gedanken diskutiert: Verkehrspolitisch sinnvoll könnte es sein, Kunden von free-floating Systemen stärker mit dem stationsbasierten CarSharing vertraut zu machen. Dies könnte dabei helfen, den Verzicht auf das eigene Fahrzeug bei free-floating Nutzern zu fördern. Zudem wird offensichtlich: Alle CarSharing-Systeme rekrutieren ihre Kunden aus einem eher kleinen Milieu. Um den Marktanteil des CarSharing am gesamten Mobilitätsmarkt zu steigern und die entlastende Wirkung damit zu vervielfachen, wird es nötig sein, weitere Zielgruppen anzusprechen, die heute kaum erreicht werden.

 

Download

PDF: W. Loose, Wie CarSharing Städte entlastet, bcs-Jahrestagung 24.06.2016

PDF: C. Nobis, Ergebnisse WiMobil, bcs-Jahrestagung 24.06.2016

PDF: R. Follmer, Ergebnisse multimo, bcs-Jahrestagung 24.06.2016