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Intermodale Mobilitäts-Angebote 2005

Wirkungen und Entlastungspotenziale neuer Verkehrsdienstleistungen

Intermodale Mobilitäts-Angebote 2005

Von 2002 bis 2004 untersuchten das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und die DB Rent GmbH im Rahmen des BMBF-geförderten Verbundprojektes „Intermodi – Sicherung der Anschluss- und Zugangsmobilität durch neue Angebotsbausteine im Rahmen der Forschungsinitiative Schiene“ mögliche Auswirkungen von intermodalen Verkehrsdienstleistungen. In erster Linie sollte untersucht werden, ob neue multi- oder intermodale Angebotsbausteine, wie sie mit DB Carsharing oder „Call a Bike“ der Deutschen Bahn AG angeboten werden, Zugang zu neuen Kundengruppen finden und wie sich dies auf die Öko-Bilanz dieser Dienstleistungen auswirkt bzw. in Zukunft auswirken könnte.

DB Carsharing im Vergleich mit örtlichen CarSharing-Angeboten

Von 2002 bis 2004 untersuchten das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und die DB Rent GmbH im Rahmen des BMBF-geförderten Verbundprojektes „Intermodi – Sicherung der Anschluss- und Zugangsmobilität durch neue Angebotsbausteine im Rahmen der Forschungsinitiative Schiene“ mögliche Auswirkungen von intermodalen Verkehrsdienstleistungen. In erster Linie sollte untersucht werden, ob neue multi- oder intermodale Angebotsbausteine, wie sie mit DB Carsharing oder „Call a Bike“ der Deutschen Bahn AG angeboten werden, Zugang zu neuen Kundengruppen finden und wie sich dies auf die Öko-Bilanz dieser Dienstleistungen auswirkt bzw. in Zukunft auswirken könnte. Die Stärkung eines multimodalen, d. h. unterschiedliche Verkehrsmittel auf getrennten Wegen nutzenden, oder intermodalen Verkehrsverhaltens, bei dem unterschiedliche Verkehrsmittel innerhalb eines Weges gekoppelt werden, wird dabei als Voraussetzung dafür gesehen, dass die öffentlichen Verkehrsmittel oder die Bahn im Fernverkehr für „wahlfreie“ Verkehrsteilnehmer, die also auch ihr eigenes Auto nutzen könnten, überhaupt interessant bleiben.

In einer breit angelegten Befragung wurden zunächst über 5.000 DB Carsharing- und Call a Bike-Kunden und Nicht-Kunden der Bahnangebote nach Wahrnehmung und Bewertung der neuen Angebote befragt. Mit einer abschließenden Erhebung sollten Marktchancen und verkehrspolitische Potenziale ausgewertet werden; hierzu wurden im CarSharing-Teil 770 Kunden von 14 verschiedenen deutschen CarSharing-Anbietern, die Partner im DB Carsharing sind, befragt. Zum Zeitpunkt der Befragung waren bei den Partnern von DB Carsharing 36.500 Kunden gemeldet, von insgesamt 69.000 CarSharing-Nutzern in Deutschland. 31.800 Kunden aus den Partnerorganisationen waren in den Haustarifen der örtlichen CarSharing-Anbieter registriert, 4.700 Kunden nutzten den DB Carsharing-Tarif. Diese letzte Befragung ist vorwiegend die Basis der folgenden Ergebniszusammenfassung. (Die in den Berichten beschriebenen Ergebnisse zum Fahrrad-Angebot Call a Bike werden in diesem Exzerpt weggelassen.)

Erste Unterschiede ergeben sich im Verhalten der CarSharing-Nutzer der örtlichen Anbieter gegenüber den DB Carsharing-Kunden. DB-Carsharing-Kunden haben die Fahrzeuge im Untersuchungszeitraum durchschnittlich 1,28 Mal im Monat gebucht, die Kunden der örtlichen Anbieter hingegen 1,56 Mal. DB Carsharing-Kunden reservieren die Fahrzeuge tendenziell für eine kürzere Zeit, legen in dieser Zeit jedoch eher eine größere Strecke zurück als die Kunden der örtlichen Anbieter.

DB Carsharing-Kunden unternehmen jede fünfte CarSharing-Fahrt in einer anderen Stadt, hauptsächlich für dienstliche Anlässe. Sie profitieren dabei von den einheitlichen Buchungs- und Zugangsbedingungen der Fahrzeuge im DB-Verbund. Bei den Kunden in den örtlichen CarSharing-Tarifen dominieren hingegen lokale, private Kurzfahrten. Mit den CarSharing-Autos werden vorwiegend Einkäufe und Erledigungen absolviert und Besuche bei Freunden und Bekannten unternommen. Weniger als eine von 20 Fahrten ist eine Quernutzung in einer anderen Stadt. Die Fahrzeuge werden dementsprechend in den örtlichen Tarifen häufiger gebucht als bei den DB Carsharing-Kunden. DB Carsharing-Fahrten werden wesentlich häufiger als CarSharing-Fahrten im örtlichen Tarif in eine Reisekette eingebunden, z. B. in die kombinierte Nutzung von Bahn und Auto.

Obwohl im CarSharing insgesamt eine hohe Kundenzufriedenheit festzustellen ist, lassen sich auch hier durchgängig kohärente Unterschiede zwischen den beiden Kundengruppen feststellen. Bei der Bewertung der unmittelbaren Produktmerkmale bekommen die lokalen Anbieter bei über 30 Merkmalen von ihren Kunden die besseren Noten ausgestellt als DB Carsharing. Im örtlichen Angebot wird CarSharing in der Ansicht der Kunden als schneller, bequemer, praktischer für Transporte, flexibler, sicherer und verfügbarer angesehen als durch die DB Carsharing-Kunden. DB Carsharing-Kunden bewerten stärker die reine Dienstleistung und legen sich weniger auf den Anbieter fest. Örtliche CarSharing-Kunden werden hingegen als äußerst loyal bezeichnet.

Wer sind die Zielgruppen, die zukünftig für das weitere Wachstum des CarSharing interessant sind?

Um auf Kundenseite eine zukünftige Entwicklung der CarSharing-Teilnahme und deren Auswirkungen auf das Verkehrsverhalten und Entlastungseffekte prognostizieren zu können wurde eine Typisierung von heutigen und zukünftigen Nutzern vorgenommen. Dabei wurde auf das Konzept der Mobilitätsstile zurückgegriffen, das realisiertes Verkehrsverhalten mit individuellen Lebenskontexten, Erwartungen und Mobilitätsbedürfnissen verbindet.

Die heutigen CarSharing-Nutzer wurden folgenden vier unterschiedlichen Mobilitätstypen zugeordnet:

  • Die pragmatischen ÖV-Nutzer sehen ihre Alltagsmobilität gut durch die öffentlichen Verkehrsmittel und die Bahn abgedeckt. Die üblichen Ziele werden gut auch ohne Auto erreicht. Umweltaspekte stehen bei der Auswahl der Verkehrsmittel nicht so sehr im Vordergrund. Die neuen Mobilitätsdienste werden nach der Zuverlässigkeit ihres Funktionierens und den Zugangsbedingungen bewertet. Zwei von drei Kunden verfügen über eine BahnCard, jeder Fünfte über eine ÖPNV-Monatskarte oder ein Jobticket. Taxis und Mietwagen werden besonders häufig genutzt. Die pragmatischen ÖV-Nutzer benutzen die Bahn besonders häufig: Durchschnittlich 197 km pro Woche (61 % der wöchentlichen Fahrleistungen) werden mit der Bahn im Nah- und Fernverkehr zurückgelegt. Nur 7,3 % der Befragten (gewichtet) steht ein eigenes Auto zur ständigen persönlichen Verfügung, im Haushalt sind es nur 15,9 %. Die CarSharing-Nutzung ist durchschnittlich im Vergleich zu allen Nutzern. Innerhalb der CarSharing-Nutzer repräsentieren sie ein Drittel (31,1 %).
  • Die fun-orientierten Autoaffinen (25,5 % der Gesamtheit) definieren und bewältigen ihre Mobilität mit dem Auto. Das Auto schneidet in allen Punkten in ihrer Bewertung besser ab als andere Verkehrsmittel und vermittelt ihnen Spaß und Erlebnis. Soziale und ökologische Überlegungen prägen nicht ihre Verkehrsmittelwahl. Zum CarSharing sind sie erst seit kurzem gekommen, was durch das vergleichsweise junge Alter der Gruppe und die kurze Kundendauer angezeigt wird. Diese Gruppe hat mit 38,7 % die höchste persönliche Autoverfügbarkeit (im Haushalt 59 %), 28,9 % der Befragten (gewichtet) geben an, dass sie täglich ein Auto nutzen. Dabei werden wöchentlich 200 km oder 57 % der gesamten Verkehrsleistungen mit dem Auto zurückgelegt. Nur jeder Fünfte besitzt eine ÖPNV-Zeitkarte, jeder Vierte eine BahnCard. Diese Gruppe ist doppelt so häufig im DB Carsharing-Tarif vertreten wie in den örtlichen Tarifen. Erstaunlich ist, dass die Mitglieder dieser Gruppe die geringste Kilometerleistung mit dem CarSharing-Auto aufweist, jedoch die höchste Fahrtenanzahl.
  • Die dritte Gruppe, die umweltbewussten und überzeugten Rad- und ÖV-Nutzer, gelten als Vorreiter der zukunftsfähigen Mobilität. Sie vertreten die Ideale der früheren gesellschaftlichen Umweltdebatte. Die tägliche Mobilität wird ohne das Gefühl von Einschränkungen mit Bus, Bahn und Fahrrad bewältigt, 66,0 % geben an, täglich oder fast täglich das Rad zu nutzen. Jedoch ist die Autoverfügbarkeit in dieser Gruppe höher als bei den pragmatischen ÖV-Nutzern (7,5 % gewichtet). Sie haben unter den vier Gruppen das höchste Durchschnittsalter und die längste Zugehörigkeit zum CarSharing. Sie stellen 31,1 % der befragten CarSharing-Kunden. Mit durchschnittlich 783 Kilometern und 141 Buchungsstunden nutzen sie das CarSharing-Fahrzeug auch am intensivsten.
  • Der vierte Typ sind die hochmobilen pragmatischen Multimodalen. Sie machen 12,4 % der Gesamtgruppe aus. Die geschäftlich Viel- und Fernreisenden bewerten die Bahn überdurchschnittlich gut und nutzen sie auch häufiger. Sie sind häufig im Besitz von ÖPNV-Zeitkarten und der BahnCard. Sie lehnen jedoch ökologische oder soziale Orientierungen ab oder verhalten sich ihnen gegenüber gleichgültig. Innerhalb der Gesamtgruppe zeigt diese Gruppe die geringste Wertschätzung für das CarSharing, im Vergleich zu Nicht-Nutzern ist sie jedoch immer noch deutlich positiv eingestellt. Zusammen mit den Autoaffinen verfügen sie am häufigsten über einen eigenen Pkw (gewichtet 25,1 %). Bei der Verkehrsmittelwahl zählt der persönliche und praktische Nutzen. Die Gruppe weist mit 364 Kilometern in der Woche die höchsten Fahrleistungen auf, davon werden durchschnittlich 179 km mit der Bahn zurückgelegt. Auch diese Gruppe ist doppelt so häufig im DB Carsharing-Tarif vertreten wie in den örtlichen Tarifen. Sie fahren weniger häufig mit dem CarSharing-Fahrzeug, dafür jedoch weiter als der Durchschnitt aller Nutzer.

Umweltbeeinflussende Auswirkungen des CarSharing

In den folgenden Abschnitten werden Ergebnisse zur Umweltbilanz von CarSharing-Angeboten sowie zum Verkehrsverhalten von CarSharing-Kunden und deren Auswirkungen auf die Umweltbilanz am Beispiel des Leitindikators CO2-Äquivalente dargestellt. Die Untersuchung wiederholt dabei die bereits anderswo laut gewordene Kritik an früheren Vorher-Nachher-Untersuchungen zum CarSharing (beispielsweise dass nicht alle Pkw-Fahrleistungen vorher/nachher einbezogen werden, Schwierigkeiten der retrospektiven Fahrleistungsabschätzung) und beschreibt methodische Alternativen dazu.

Die Umweltentlastung des CarSharing setzt sich aus unterschiedlichen Teilbeiträgen zusammen, die im Folgenden dargestellt werden.

1. Die CarSharing-Flotte ist deutlich umweltfreundlicher als die Privatwagenflotte

1.042 Fahrzeuge im CarSharing-Einsatz wurden in der Studie analysiert und mit der Fahrzeugflotte der Privat-Pkw verglichen. Die Ergebnisse sind repräsentativ für große CarSharing-Anbieter. Die CarSharing-Fahrzeuge sind deutlich niedriger motorisiert als die Privatwagen und weisen niedrigere durchschnittliche Kraftstoffverbräuche auf. Die spezifischen CO2-Emissionen sind im Resultat in der CarSharing-Flotte um 16 % niedriger als bei den im Jahre 2003 neu zugelassenen Privatwagen (S. 51 des Abschlussberichts; der Bericht geht leider nicht ganz sauber mit dem Benennen des Vergleichsmaßstabs um). Das mittlere Durchschnittsalter der CarSharing-Flotte von 1,5 Jahren ist im Vergleich zum bundesdeutschen Bestand mit 7,3 Jahren sehr viel jünger. Damit setzen sich strengere Abgasnormen in der CarSharing-Flotte schneller um. Bei den CarSharing-Fahrzeugen wurden um 33 % niedrigere spezifische Stickoxidemissionen und um 45 % niedrigere spezifische Kohlenwasserstoffemissionen festgestellt.

2. Umweltfreundliche Verkehrsroutinen gefestigt

Um Verkehrsverhaltensroutinen abschätzen zu können, wurden die CarSharing-Nutzer nach ihren gewohnheitsmäßigen Hauptverkehrsmitteln für unterschiedliche Verkehrszwecke befragt, und zwar vor ihrer CarSharing-Nutzung und seitdem. Das Ergebnis zeigt, dass zwei Drittel aller CarSharing-Nutzer gewohnheitsmäßig für die meisten Wegezwecke ausschließlich oder vorwiegend auf den Umweltverbund zurückgreifen. Damit werden im Prinzip Befunde aus anderen Untersuchungen bestätigt. Plausible Unterschiede ergeben sich zwischen den vier CarSharing-Mobilitätstypen, indem beispielsweise die fun-orientierten Autoaffinen am ehesten Pkw-basierte Verkehrsgewohnheiten aufweisen. Jedoch liegt dieser Mobilitätstyp mit 40 % Umweltverbund-gestützten Routinen immer noch im Durchschnitt der bundesdeutschen Gesamtbevölkerung und Umweltverbund-modales Verkehrsverhalten ist auch in dieser Gruppe noch deutlich ausgeprägter als Pkw-modale Verhaltensroutinen.

Unterschiede bei den Verhaltensroutinen im Vorher/Nachher-Vergleich treten kaum auf, wo sie jedoch vorkommen, gehen sie in Richtung einer weiter gestärkten Inanspruchnahme des Umweltverbundes. Nur einer von zehn Kunden hat seine Autonutzung seit Beitritt zum CarSharing erhöht.

3. CarSharing-Haushalte sind weit überwiegend autofreie Haushalte

Lediglich 22 % der befragten CarSharing-Kunden verfügen über einen Pkw im Haushalt. Auch wenn in dem Bericht darauf verwiesen wird, dass daraus keine Rückschlüsse gezogen werden können, dass bzw. in welcher Form CarSharing hierfür ursächlich ist, und ein Trend zu mehr Autoverfügbarkeit in den CarSharing-Haushalten feststellbar ist, wird die Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der CarSharing-Kunden bisher ohne eigenes Auto im Haushalt auskommt und damit zufrieden ist, auch in dieser Untersuchung eindrucksvoll belegt. 16 % der Befragten haben im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem CarSharing-Beitritt einen eigenen Pkw abgeschafft und ein Drittel der Befragten (33 %) hat eine geplante Anschaffung eines eigenen Pkw nicht vollzogen. Die Autoren des Berichts weisen darauf hin, dass der Bestandseffekt sich nach ihrer Erkenntnis nicht als Summe von Abschaffung und Nicht-Anschaffung darstellt. Außerdem schwäche sich der Autoabschaffungseffekt im Zeitverlauf ab.

Auf die Frage, ob ohne CarSharing (wieder) ein eigenes Auto angeschafft würde, antwortet ein Drittel der aktiven CarSharing-Kunden mit „ja“. Insbesondere diejenigen, die mit dem Beitritt zur CarSharing-Organisation oder kurz danach ein Auto abgeschafft haben, würden sich ohne CarSharing-Angebot wieder ein eigenes Auto kaufen.

Vorherige Autobesitzer weisen nach dem Beitritt zum CarSharing die stärksten Gewohnheitsänderungen hin zur Nutzung des Umweltverbundes auf.

4. CarSharing-Teilnehmer mit durchschnittlichem oder überdurchschnittlichem Verkehrsaufwand

Für die Bilanzierung der Umweltbelastung entscheidend sind neben der Verkehrsmittelwahl die im Laufe eines Tages oder einer Woche zurückgelegten Kilometer. Hier kommt die Studie zum Ergebnis, dass – bezogen auf alle Mobilitätstypen – CarSharing-Teilnehmer einen ähnlich hohen wöchentlichen Verkehrsaufwand haben wie der Durchschnitt der 18- bis 65-Jährigen mit Führerschein, die in einer Stadt mit mehr als 50.000 Einwohnern leben. 320 Personenkilometer pro Woche bei den CarSharern stehen 310 Personenkilometer in der Vergleichsgruppe gegenüber. Fun-orientierte Autoaffine und hochmobile pragmatische Multimodale haben weisen eine überdurchschnittliche Verkehrsleistung auf (etwas über bzw. knapp unter 350 Pkm).

Jedoch werden im Durchschnitt von allen CarSharing-Teilnehmern nur 88 Personenkilometer mit dem Pkw zurückgelegt, während in der städtischen Vergleichsgruppe 249 Pkm mit dem Pkw anfallen. Umgekehrt sind die Verhältnisse bei der Verkehrsmittelnutzung im Umweltverbund: Im Durchschnitt legen die CarSharing-Teilnehmer doppelt so viele Fuß- und Fahrradkilometer, fünfmal mehr Bahnkilometer und siebenmal mehr ÖPNV-Kilometer als die Vergleichsgruppe zurück. Selbst die Autoaffinen unter den CarSharing-Nutzern legen dreimal mehr Bahn- oder ÖPNV-Kilometer als der durchschnittliche städtische Verkehrsteilnehmer zurück. Unterschiede in den Verhaltensmustern spiegeln die Orientierungen gut wider.

Die Autoren kommen zum Schluss: „Zusammen mit der Verkehrsmittelwahl erweisen sich die Carsharing-Nutzer vor allem als Mobilitätsoptimierer, nicht als Reduzierer ihrer Verkehrsleistungen.“ Als Jahresfahrleistung für alle CarSharing-Teilnehmer werden unter anderem 4.550 km mit dem Pkw (CarSharing-Fahrzeuge und andere Pkw-Nutzung), 3.529 km mit dem ÖPNV und 6.746 km mit der Bahn ausgewiesen.

5. CarSharing-Teilnehmer reduzieren ihre CO2-Emissionsbilanz

Die Emissionsbilanz spricht nun wieder für den großen Effizienzvorteil der CarSharing-Teilnehmer. Während der Durchschnitt der nicht CarSharing nutzenden Vergleichsgruppe in der Woche ca. 42 kg CO2-Äquivalente pro Person emittieren, sind dies beim Durchschnitt aller CarSharing-Teilnehmer nur ca. 28 kg. Lediglich die fun-orientierten Autoaffinen überschreiten wegen ihrer häufigen Autonutzung und der erhöhten Verkehrsleistung mit ca. 46 kg CO2-Äquivalenten pro Woche den Wert der Vergleichsgruppe.

Und die Zukunft des CarSharing: Markt- und Ökopotenziale

In einer ersten Potenzialabschätzung im Rahmen des Intermodi-Verbundprojektes wurden für deutsche Großstädte über 200.000 Einwohner ein Marktpotenzial für das CarSharing von etwa 900.000 potenziellen Nutzern bestimmt. Zum Schluss des Projektes wurde eine neue Potenzialabschätzung vorgenommen, die auch Erkenntnisse zu den Kundentypen nach den beschriebenen Mobilitätstypen einbezieht. Dafür werden Merkmale der CarSharing-Typenprofile auf den für Gesamt-Deutschland repräsentativen Datensatz der Untersuchung Mobilität in Deutschland 2002 (MiD 2002) projiziert. Es wurden 1,1 Menschen in Städten ab 50.000 Einwohnern mit Führerschein im Alter zwischen 18 und 65 Jahren als CarSharing-Potenzial identifiziert. Weniger als 10 % davon findet sich in Städten zwischen 50.000 und 100.000 Einwohnern, was laut Autoren auf die Infrastrukturvoraussetzungen eines engmaschigen ÖPNV-Angebotes verweist.

Es wird vorhergesagt, dass in der noch nicht ausgeschöpften Potenzialgruppe drei von vier Haushalten ein eigenes Auto besitzen, während bei den heutigen CarSharing-Kunden umgekehrte Verhältnisse vorliegen. Die folgende Tabelle listet die Verschiebungen in den Anteilen der vier Mobilitätstypen zwischen den heutigen Nutzern und den Marktpotenzialen auf, wobei die Potenzialgruppe ja eine bedeutend höhere Gesamtzahl umfasst. 

Intermodale Typen

CarSharing-Kunden heute

Potenzialgruppe

ÖV-Pragmatiker

31 %

25 %

hochmobile Multimodale

9 %

9 %

Autoaffine

19 %

50 %

Umweltorientierte

41 %

16 %

Die Autoaffinen stellen mit Abstand das größte Potenzialvolumen dar, während die heute bereits am besten ausgeschöpfte Gruppe der Umweltorientierten zukünftig in der Relation stark an Bedeutung verliert.

Im Szenario Marktausschöpfung wird mit jährlichen Wachstumsraten von 15 % gerechnet. Im Zeitraum 2005 bis 2010 wird ein Kundenwachstum um insgesamt 101,1 % vorhergesagt. Bezogen auf die einzelnen Mobilitätstypen werden durch die unterschiedliche Markterschließung bis zum Jahr 2010 die Anteile unter den CarSharing-Nutzern wie in der folgenden Tabelle dargestellt vorgesagt.

Kundentypen

2000

2004

2010

ÖV-Pragmatiker

34 %

31 %

30 %

hochmobile Multimodale

6 %

9 %

11 %

Autoaffine

14 %

19 %

24 %

Umweltorientierte

47 %

41 %

35 %

 

Auch wenn bei der erwarteten zukünftigen Verkehrsmittelwahl der CarSharing-Kunden im Jahr 2010 die Autonutzung insgesamt weiter ansteigt und die ÖPNV- und Bahnnutzung gegenüber heute abfällt, bleiben die Effizienzvorteile multimodalen Verkehrsverhaltens beim Leitindikator CO2 weiter erhalten. Die mit der Szenariobetrachtung vorgezeichnete Markterschließung des CarSharing bedeutet also keineswegs, dass CarSharing seinen ökologischen Bonus verlieren wird.

CarSharing wird von den Autoren der Studie heute wie in Zukunft mehr als Ausdruck und weniger als Auslöser von Veränderungen verstanden. Nach ihrer Meinung wird es in Zukunft seltener passieren, dass Personen oder Haushalte sich wegen oder mit CarSharing vom eigenen Pkw trennen werden. Wo dies jedoch passiert – aus welchen Gründen auch immer – wird dies auch weiterhin zu größeren Verschiebungen im Verkehrsverhalten führen. „Ein reduzierter privater Pkw-Besitz und vorhandene multimodale Routinen werden durch CarSharing gefestigt und gefördert, zusätzliche automobile Bedürfnisse auf umweltschonende Weise erfüllt.“ (Maertins 2006, S. 70)

Anmerkungen zu den Ergebnissen der Studie aus Sicht des bcs

Die Untersuchung hat einige sehr interessante Ergebnisse zu Tage gefördert, die für die Bewertung des CarSharing in der Öffentlichkeit und in der Politik von großer Bedeutung sind. Dennoch möchte der bcs auf einige Punkte hinweisen, die sich aus der Studie ergeben und die für die Übertragbarkeit der Ergebnisse von Bedeutung sein könnten.

Vor allem die für die breite Öffentlichkeit vorgesehene Publikation des WZB (siehe Maertins 2006) vertritt an einigen Stellen eine Polarisierung zwischen neuen dienstleistungsorientierten CarSharing-Anbietern einerseits, die in der Lage seien, weitere Kundengruppen anzusprechen und eine tiefgreifendere Marktdurchdringung in weitere Bevölkerungsschichten hinein zu gewährleisten, und den herkömmlichen CarSharing-Anbietern, die oft noch zu sehr alten Solidar- und Ökoideen anhängen würden. Diese Sichtweise verkennt die Erfolge der Modernisierung des CarSharing in der gesamten Branche. Obwohl erst 1,5 Jahre seit Erscheinen des Discussion Paper SP III 2006-101 vergangen sind, hat sich die Anbieterlandschaft mit dem Rückzug von Shelldrive, auf den die Studie u. a. besondere Modernisierungshoffnungen setzt, vollständig geändert. Und ob die branchenfremden Quereinsteiger ihre Erfolge beim Kunden- und Angebotswachstum auch auf ein solides betriebswirtschaftliches Fundament gestellt haben, darf zumindest bei Shelldrive bezweifelt werden. Vielmehr ist anzunehmen, dass eine konzerninterne Quersubventionierung einen massiven Teil zum Anfangserfolg beigetragen hat. Über solche Möglichkeiten verfügen die evolutionär gewachsenen CarSharing-Anbieter nicht. Trotzdem können sie, was die Qualität und Kundenorientierung des CarSharing-Angebotes, aber auch das kontinuierliche Kundenwachstum angeht, mithalten.

Die Studie zeichnet sich durch einige gravierende Zahlen aus, die in vergleichbaren Studien bisher so nicht festgestellt wurden. So muss hinterfragt werden, ob der festgestellte Männeranteil von über 70 % bei den CarSharing-Kunden tatsächlich repräsentativ ist für die gesamte Kundschaft der CarSharing-Anbieter in Deutschland, oder ob er nicht vielmehr eine Besonderheit der Kundschaft von DB Carsharing ist, die sich hier überrepräsentativ widerspiegelt. Zu dieser Vermutung trägt auch der enorm hohe Anteil der Bahn an den wöchentlichen Kilometerleistungen der CarSharing-Kunden bei, die zu der Aussage der Studie führen, dass CarSharing-Kunden ihren Verkehrsaufwand durch CarSharing nicht reduzieren würden. Während üblicherweise in Verkehrsbefragungen nach KONTIV-Design außergewöhnliche Ausflugsfahrten und lange Dienstreisen (mit der Bahn) methodenbedingt eher unterrepräsentiert sind, schlägt hier eine außergewöhnliche Bahn-Verkehrsleistung durch.

Willi Loose, 14.08.2007

Quellen: Maertins, Christian (2006): Die intermodalen Dienste der Bahn: Mehr Mobilität und weniger Verkehr? Wirkungen und Potenziale neuer Verkehrsdienstleistungen. Discussion Paper SP III 2006-101, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Berlin

Knie, Andreas; Canzler, Weert (2005): Die intermodalen Dienste der Bahn: Wirkungen und Potenziale neuer Verkehrsdienstleistungen. Gemeinsamer Schlussbericht von DB Rent und WZB. Verbundprojekt Intermodi – Sicherung der Anschluss- und Zugangsmobilität durch neue Angebotsbausteine im Rahmen der „Forschungsinitiative Schiene“. Förderkennzeichen 19 P 2049 A+B