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25. Februar 2015

CarSharing als Konkurrenz zum Öffentlicher Nahverkehr?

Foto: teilAuto CarSharer ersetzen manche Fahrten, die sie auch mit dem öffentlichen Nahverkehr machen könnten, durch Fahrten mit dem CarSharing-Auto. Ist CarSharing deshalb nicht umweltfreundlich? Diese Betrachtung greift zu kurz. Es kommt darauf an, ob in einem modernen Mobilitätsmix in Summe mehr oder weniger Auto gefahren wird.

Wer einmal versucht hat, mit dem öffentlichen Nahverkehr oder gar dem Fahrrad die neuen Möbel von Deutschlands größtem Möbelhaus nach Hause zu transportieren, wird sich danach oftmals nach anderen Lösungen umsehen. Die Buchung eines CarSharing-Autos ist für viele eine willkommene Alternative.

Genau an dieser Stelle hakt neuerdings Kritik ein: CarSharing nehme dem öffentlichen Nahverkehr Fahrgäste weg, heißt es. Und manchmal ist in dem Zusammenhang zu lesen: CarSharing ist in Wirklichkeit gar nicht umweltfreundlich.

Wie das InnoZ nun vorrechnet, nimmt CarSharing dem öffentlichen Nahverkehr vor allem dann Fahrten weg, wenn die Nutzer vorher ausschließlich mit dem ÖPNV und dem Fahrrad unterwegs waren. Das ist, wie das eingangs erwähnte Möbel-Beispiel verdeutlicht, auch kaum verwunderlich: CarSharing kommt in Situationen ins Spiel, in denen der ÖPNV nicht voll verfügbar oder aber zu unpraktisch ist. Für eine Gesamtbewertung der Wirkung des CarSharing sollte jedoch nicht nur die einzelne Fahrt oder das Verhalten einer einzelnen Zielgruppe betrachtet werden. Viel wichtiger ist: Führt CarSharing in Summe zu mehr oder weniger Nutzung des Öffentlichen Nahverkehrs? Diese Frage kann bejaht werden.

Die wahre Konkurrenz des Öffentlichen Nahverkehrs ist nicht das CarSharing-Auto - die wahre Konkurrenz ist der private Pkw. Haushalte, die einen eigenen Pkw besitzen, sind durch eine einfache Kosten/Nutzen-Rechnung an diesen gebunden: Bereits bei Anschaffung und Unterhalt des Fahrzeugs sind für den Haushalt hohe Kosten angefallen. Deshalb lohnt es sich, diese Kosten durch intensive Nutzung zu rechtfertigen. Die parallele Nutzung des Öffentlichen Nahverkehrs produziert für den autobesitzenden Haushalt hingegen kaum Kosteneinsparung. Sie erhöht lediglich die Gesamtausgaben. Ganz anders beim CarSharing: Hier fallen die Kosten der Autonutzung nicht pro Fahrzeug, sondern nur noch pro Fahrt an. Haushalte, die ihr privates Auto durch CarSharing ersetzen, können sich daher entscheiden, viele ihrer Fahrten auf billigere und sinnvollere Verkehrsträger zu verlagern, ohne auf das Auto ganz zu verzichten. Davon profitiert vor allem der Öffentliche Nahverkehr.

Die Frage, ob CarSharing zu mehr oder weniger Nutzung des Öffentlichen Nahverkehrs führt, lässt sich durch die Antwort auf eine andere Frage beantworten: Wie viele Haushalte werden oder bleiben durch CarSharing autofrei? Aus Kundenbefragungen des Bundesverbands CarSharing geht hervor, dass über die Hälfte der vormals autobesitzenden Neukunden eines stationsbasierten Anbieters ihr eigenes Auto abgeschafft haben, nachdem sie Erfahrungen im CarSharing gesammelt hatten. Ein stationsbasiertes CarSharing-Auto ersetzt so bis zu 10 private Pkw. Dies ist der hauptsächliche Grund, warum der Öffentliche Nahverkehr vom CarSharing profitiert.

CarSharing ist ein Bestandteil in einem Mobilitätsmix, der ÖPNV, Fahrrad, Fußwege und gelegentliche Autonutzung sinnvoll integriert. Je besser die Kombination von ÖPNV und CarSharing Autobesitzer überzeugen kann, auf ihr Fahrzeug zu verzichten, desto eindrucksvoller sind die positiven Auswirkungen des CarSharing auf den Öffentlichen Nahverkehr.

Die jetzt geführte Diskussion zeigt vor allem eins: Die vom traditionellen Autobesitz abgeleitete Idee, alle Wege müssten entweder mit dem einen oder dem anderen Verkehrsmittel zurückgelegt werden, ist in vielen Köpfen noch fest verankert. Und da liegt es nahe, über sogenannte „Kannibalisierungseffekte“ zu spekulieren. Das aber ist eine Diskussion, die in der multimodalen Verkehrswelt, wie sie sich in den städtischen Ballungsräumen entwickelt, keinen Sinn mehr macht.

Autor: Gunnar Nehrke; gunnar.nehrke@carsharing.de