Eine bcs-Studie aus dem Jahr 2018 zeigt: Nicht-Nutzer stehen dem CarSharing grundsätzlich positiv gegenüber. Sie bezweifeln aber, dass die Dienstleistung so bequem und so gut verfügbar ist, wie der eigene Pkw. Die Nicht-Nutzer unterschätzen möglicherweise das CarSharing. Denn CarSharing-Bestandskunden sind mit der Bequemlichkeit und Verfügbarkeit der Dienstleistung sehr zufrieden.
Zuschnitt der Studie
Um die Einstellung von Nutzern und Nicht-Nutzern zum CarSharing unter kontrollierbaren Rahmenbedingungen vergleichen zu können, wurden in den drei Städten Frankfurt am Main, Köln und Stuttgart drei Untersuchungsgebiete definiert. Es handelt sich um innenstadtnahe, urban strukturierte Wohngebiete mit hohem Parkdruck. Alle CarSharing-Varianten (stationsbasiert, free-floating, kombiniert, Peer-to-peer) und die Angebote des ÖPNV sind in den Untersuchungsgebieten gleichermaßen gut verfügbar. Im gesamtstädtischen Vergleich sind optimale Bedingungen für die CarSharing-Nutzung und einen Verzicht auf den privaten Pkw gegeben.
Insgesamt wurden in den Untersuchungsgebieten 185 Nicht-Nutzer befragt. Die meisten von ihnen – nämlich 140 Befragte – besitzen ein eigenes Auto. Das Bild, das diese Autobesitzer vom CarSharing haben, wird im Folgenden mit den Ergebnissen der Befragung von 1.122 CarSharing-Nutzern in denselben Untersuchungsgebieten verglichen. Anhand der Unterschiede soll ermittelt werden, was die Nicht-Nutzer mit eigenem Pkw bisher von einem Beitritt zum CarSharing abgehalten hat.
Einstellung der Nicht-Nutzer zum Pkw
Die Einstellung der Nicht-Nutzer zu ihrem privaten Pkw ist eher zweckrational. 73 % stimmen der Aussage zu, dass ein Auto ein Mittel zum Zweck sei. Die Befragten sind also mehrheitlich keine „Auto-Narren“. Diese Einstellung teilen sie mit den meisten CarSharing-Nutzern. Eine wichtige emotionale Voraussetzung, um sich für das CarSharing interessieren zu können, ist damit bei vielen Nicht-Nutzern gegeben.
Die Nutzung des eigenen Pkw fällt bei den Nicht-Nutzern eher sporadisch aus: Eine überwiegende Mehrheit (43 %) sitzt lediglich 1 bis 3 Mal die Woche im eigenen Auto, weitere 21 % sogar seltener als wöchentlich. Nur 9 % fahren täglich mit dem eigenen Auto. Zur Arbeit fährt die Mehrheit der Nicht-Nutzer mit dem Fahrrad und/oder dem ÖPNV. Die Nicht-Nutzer zeigen damit Pkw-Nutzungsmuster, die sich mit denen der CarSharing-Bestandskunden weitgehend decken. Sie sind auch in dieser Hinsicht durchaus „CarSharing-kompatibel“.
In begleitenden Fokusgruppen zur Befragung begründeten viele Nicht-Nutzer ihre eher seltene Nutzung des eigenen Pkw mit dem Stress, den sie im innerstädtischen Pkw-Verkehr empfinden und der meist langwierigen Parkplatzsuche an ihrem Wohnort.
Urteil der Nicht-Nutzer über das CarSharing
Die Nicht-Nutzer sind in hohem Ausmaß der Meinung, dass CarSharing eine nützliche Dienstleistung ist. 86 % stimmen dieser Aussage zu. Danach befragt, ob sie CarSharing für einen vollwertigen Ersatz für ein eigenes Auto halten, äußern sich jedoch 37 % der Befragten ablehnend und weitere 29 % bleiben eher unentschieden. Das allgemein positive Bild vom CarSharing geht also bei einer Mehrheit der Nicht-Nutzer mit der Einschätzung einher, dass das eigene Auto einen Mehrwert hat, den das CarSharing nicht bietet.
Bei der Suche nach den Gründen für diese Einschätzung zeigt sich, dass der Kostenvergleich zwischen privatem Pkw und CarSharing eher zugunsten des CarSharing ausfällt: 74 % der Autobesitzer vermuten, dass CarSharing günstiger als der Unterhalt eines eigenen Autos ist. Auch unter eher ideellen Gesichtspunkten haben die Autobesitzer vom CarSharing ein positives Bild: 65 % halten das CarSharing für umweltfreundlich.
Umgekehrt verhält es sich jedoch mit den Einschätzungen zur Bequemlichkeit des CarSharing und der Verfügbarkeit der CarSharing-Fahrzeuge. Dass CarSharing bequem sei, können sich nur 19 % der Autobesitzer vorstellen, 39 % glauben es eher nicht. Ebenso nehmen nur 30 % der Autobesitzer an, dass CarSharing-Fahrzeuge zum gewünschten Zeitpunkt gut verfügbar wären. Der eigene Pkw punktet für die Nicht-Nutzer also vor allem im Hinblick auf Bequemlichkeit und sichere Verfügbarkeit.
Schätzen Nicht-Nutzer das CarSharing richtig ein?
Es ist bemerkenswert, dass die Zufriedenheit der CarSharing-Bestandskunden mit den Punkten „Bequemlichkeit“ und „Fahrzeug-Verfügbarkeit“ von der Einschätzung der Nicht-Nutzer erheblich abweicht: Über 70 % der Bestandskunden geben an, dass sie die Dienstleistung durchaus bequem finden (siehe Abbildung 4).
Mit der Fahrzeug-Verfügbarkeit im CarSharing sind immerhin zwischen 57 % und 79 % der Bestandskunden zufrieden (Lediglich Kunden des Free-floating zeigen eine niedrige Zufriedenheit). Insgesamt erzeugt die tatsächliche Bekanntschaft mit dem CarSharing-Angebot also eher Zufriedenheit mit den Punkten, die von den Nicht-Kunden als besonders kritisch eingeschätzt werden. Die Vermutung liegt daher nahe, dass die Nicht-Nutzer die Leistungsfähigkeit des CarSharing unterschätzen.
Zu diesem Befund passt eine weitere Beobachtung aus den Fokusgruppen: Dort erzählten viele CarSharing-Nutzer, dass sie über Freunde und Bekannte zum CarSharing kamen, die bereits Kunden waren und von positiven Erfahrungen berichten konnten. Die Vorbilder hatten den Interessenten dabei geholfen, die anfängliche Skepsis gegenüber dem CarSharing zu überwinden.
Erleichtert Free-floating den Einstieg ins CarSharing?
Zwei Drittel der befragten Nicht-Nutzer (61 %) verneint die Aussage, dass CarSharing ein Zusatzangebot zum eigenen Auto ist. Eine parallele Nutzung von privatem Pkw und CarSharing ziehen demnach die meisten Nicht-Nutzer nicht in Betracht. Diese starke Wahrnehmung des CarSharing als Auto-Substitut ist einerseits erfreulich. Sie könnte jedoch andererseits den Einstieg ins CarSharing erschweren. Denn je mehr die Entscheidung für das CarSharing zugleich den Charakter einer Grundsatzentscheidung gegen das eigene Auto hat, desto schwerer dürfte sie vielen Autobesitzern fallen.
Free-floating CarSharing hat sich in den letzten Jahren als eine CarSharing-Option etabliert, die durchaus parallel zum eigenen Auto genutzt wird. In der vorliegenden Studie besitzen 68 % der Kunden des free-floating CarSharing einen privaten Pkw und 51 % geben an, dass diese Variante für sie durchaus ein Zusatzprodukt zum eigenen Auto ist. Insofern scheint das Free-floating einen Einstieg ins CarSharing zu ermöglichen, der nicht auf einen sofortigen Tausch gegen den eigenen Pkw hinausläuft. Dies dürfte auch einer der wesentlichen Gründe dafür sein, dass die Kundenzahlen im free-floating CarSharing in den letzten Jahren deutlich dynamischer gewachsen sind, als in den stationsbasierten Systemen.
Umso alarmierender ist allerdings, dass nur vergleichsweise wenige Bestandskunden des free-floating CarSharing meinen, diese Variante sei ein vollwertiger Ersatz für ein eigenes Auto. Dieser Aussage stimmen nämlich nur 33 % der Free-floating-Kunden zu. Damit beurteilen die Free-floating-Kunden die Fahrzeug-Verfügbarkeit - abweichend von Kunden aller anderen CarSharing-Systeme - ähnlich negativ, wie die Nicht-Nutzer.
Free-floating CarSharing scheint demnach zwar eine Option zu sein, um Autobesitzer an das CarSharing heranzuführen, ohne den Autobesitz von vornherein in Frage zu stellen. Die Variante ist aber allein nicht dazu geeignet, den neugewonnenen Kunden die Leistungsfähigkeit des CarSharing gegenüber dem privaten Pkw aufzuzeigen. Für diesen weiteren Schritt bedarf es einer Verbindung des Free-floating mit CarSharing-Varianten, die eine echte Alternative zum privaten Pkw sind. Dass eine solche Verbindung produktiv ist, zeigt sich bei den Nutzern kombinierter CarSharing-Systeme: Sie bejahen mit großer Mehrheit, dass CarSharing ein vollwertiger Ersatz für das eigene Auto ist. Eine Kombination des Free-floating mit der stationsbasierten Varianten scheint demnach dazu geeignet, das zusätzliche Akquisitionspotenzial des reinen Free-floating auch in eine (spätere) Pkw-Abschaffung und eine Verkehrsentlastung zu überführen.
Autor: Gunnar Nehrke, 2018
Dieser Artikel beruht auf Daten die der bcs im Jahr 2018 im Rahmen des Forschungsprojekts STARS erhoben hat. Die Daten wurden erstmals veröffentlich in: STARS D4.1, 2018.
This research is part of the STARS project. STARS has received funding from the Horizon 2020 programme under grant agreement n°769513